Durch Open Innovation lassen sich etliche Innovationshemmnisse kleiner und mittleren Unternehmen eindämmen. Zwei Beispiele zeigen, wie Open Innovation auch in der Schweiz erfolgreich angewendet wird.

In der Schweiz zählen mehr als 99% der Unternehmen zu den kleinen- und mittleren Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitenden und stellen zwei Drittel der Arbeitsplätze (SECO, 2022). Sie sind daher von grosser Bedeutung für die hiesige Wirtschaft und für den Wohlstand der Schweiz. 

Wie bei Grosskonzernen sind Innovationen existenziell für das Fortbestehen dieser Unternehmen. Sie müssen sich sowohl gegen bestehende als auch potentielle Konkurrenten durch Innovationen und agiles Verhalten behaupten, um auch langfristig am Markt erfolgreich zu sein.

Herausforderungen von KMU in der Innovation 

KMU’s haben jedoch, bezüglich ihrer Innovationskraft, mit anderen Herausforderungen zu kämpfen als grosse Firmen. Diese Innovationshemmnisse lassen sich grob in drei Kategorien aufteilen: Unternehmensbezogene, personenbezogene und umfeldbezogene Hemmnisse (Fueglistaller et al., 2015). 

Die grössten unternehmensbezogenen Innovationshemmnisse gehen mit der Finanzierung der Innovationsvorhaben einher. Vielen Unternehmen fehlen schlichtweg die finanziellen Mittel, um Innovationen aus eigener Kraft zu finanzieren oder es fehlt die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung. Andere Gründe sind die zu erwartenden geringen Margen und die hohen Kosten, welche die Innovationsvorhaben verschlingen. Als weniger einschneidend, aber trotzdem vorhanden, werden die mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter, die hohen Risiken und mangelnde Ideen genannt. 

Bei den personenbezogenen Innovationshemmnissen sticht die Verfügbarkeit geeigneter, personeller Ressourcen heraus. Nebst den finanzgetriebenen Hemmnissen gibt es natürlich auch kulturelle. Dem Arbeiten an Innovationen wird neben dem Tagesgeschäft keinen Platz eingeräumt oder den Ideen der eigenen Mitarbeiter wird kein adäquates Gehör geschenkt. 

Bei den umfeldbezogenen Innovationshemmnissen werden zudem der hohe administrative Aufwand, die hohe Amortisationszeit und der teure Innovationsschutz als grösste Innovationshemmnisse ins Feld geführt (Fueglistaller et al., 2015).

Open Innovation als Chance auch für kleine und mittlere Unternehmen 

Viele der zuvor beschriebenen Innovationshemmnisse lassen sich durch eine Öffnung des Innovationsprozesses eindämmen. Personelle Engpässe können durch Kollaboration mit externen Quellen überbrückt und interne Wissenslücken gestopft werden. Fehlende Zugänge zu potentiellen Partnern oder Communities können durch den Einsatz eines Intermerdiärs gelöst werden. Dieser stellt die Infrastruktur zur Verfügung und kann beim Aufbau wertvoller Beziehungen behilflich sein (Lee et al., 2010). 

Durch die Vernetzung mit der Aussenwelt schaffen es Unternehmen ihre Entwicklungszeiten drastisch zu verkürzen und das Flop-Risiko der eigenen Innovationen zu vermindern. Open Innovation hilft so die finanziellen Hürden für die Innovationstätigkeit von mittelständischen Unternehmen zu senken. Durch die Einbindung von Nutzer- und / oder Kundengruppen schärfen Unternehmen zudem ihr Verständnis bezüglich dieser wichtigen, externen Communities, um so noch nutzerzentriertere Angebote auf den Markt zu bringen.

Open Innovation in der Schweiz 

Während anfangs vor allem Weltkonzerne, in den Pionier-Industrieren Software, Elektronik, Telecom, Pharma und Biotech, Open Innovation als Eraly Adopters einsetzten, gibt es mittlerweile auch zahlreiche Beispiele von mittelständischen Unternehmen, welche die Vorzüge von Open Innovation für sich entdeckten. 

In der Schweiz tat dies zum Bespiel der Sportartikelhersteller Mammut schon am Anfang der letzten Dekade. Durch sein breites Produktsortiment, einer stattlichen Anzahl an Konkurrenten und dem dominierenden saisonalen Geschäft herrscht ein grosser Innovationsbedarf, müssen doch 2 Kollektionen pro Jahr entworfen werden, die eine Time-to-Market von 2 Jahren aufweisen. 

Um seine interne Innovationskraft zu steigern entschied sich Mammut, zusammen mit einer Online Community, Ideen von ausserhalb in die Firma zu bringen. Auf der Open Innovation Plattform von Atizo wurden nacheinander drei verschiedene Projekte aufgeschaltet, zu welchen die mehr als 7000 Mitglieder umfassende Community Ideen beisteuern konnte, wie eine spezifische Problemstellung gelöst werden könnte (Hirner, 2010). 

Substitutionslösung für den Reissverschluss

In einem ersten Projekt wurde eine Substitutionslösung für den Reissverschluss gesucht. Zu dieser Fragestellung wurden innerhalb von 4 Wochen 345 Ideen von 204 verschiedenen Teilnehmern gesammelt. Die vielversprechendste Lösung wurde von zwei deutschen Studenten ausgearbeitet. Sie basiert auf einem Verschlussprinzip mit zwei gegenüberliegenden PE-Profilen, die man in ähnlicher Weise von Gefrierbeuteln kennt. In der Konzeptphase wurde anschliessend mit fünf Teilnehmern in 6 Wochen ein funktionaler Prototyp und ein 70-seitiges Dossier erstellt. 

So gelang Mammut mit diesem Projekt ein perfekter Einstieg in die Open Innovation im Zusammenspiel mit einer Crowdsourcingplattorm. Zudem konnten wertvolle Erfahrungen für Folgeprojekte gesammelt. Das Fazit des Unternehmens viel dementsprechend positiv aus: Mit Hilfe von Open Innovation ist das Unternehmen innert kurzer Zeit zu sehr vielen neuen, Out-of-the-box-Ideen gekommen. Die Medienpräsenz war gross und interne Unternehmenskultur wurde gestärkt. Durch Cross Innovation, d.h. einer branchen – bzw. disziplinenübergreifenden Zusammenarbeit mit externen Innovatoren konnte in nur 10 Wochen ein funktionaler Prototyp erarbeitet werden. 

In zwei darauffolgenden Projekten wurden einerseits für die Problemstellung «Knotenloses Anseilen» eine Lösung und andererseits für einen weltweiten Event zum 150-jährigen Bestehen der Firma Mammut Ideen gesucht. (Leimeister et al., 2016),(Hirner, 2010)

Circular economy Projekt «Close The Loop»

Auch in jüngerer Zeit ist Mammut mit innovativen Produkten aufgefallen. An der ISPO München, der grössten Sportmesse der Welt, wurde das Unternehmen gleich mit drei Awards für Produktinnovationen in der Kategorie «Outdoor» ausgezeichnet. Eines der ausgezeichneten Produkte ist das Close The Loop T-Shirt (Mammut, 2021).

Mammut möchte den ökologischen Fussabdruck seiner Outdoor-Textilproduktion verkleinern und bis 2050 sogar klimaneutral produzieren. In seiner Analyse stellte das Unternehmen fest, dass die Kletterseilproduktion anteilsmässig am meisten CO2 verursacht. Zudem wurde das hochwertige Material der Seile bis jetzt, mangels Alternative, meist mit dem Restmüll entsorgt. Zusammen mit der Klimaschutzorganisation Protect our Winters (POW) wurde Projekt «Close The Loop» lanciert, um nicht mehr gebrauchten Seilen ein zweites Leben zu geben und so ein Konzept für eine Kreislaufwirtschaft für die Outdoor Industrie zu realisieren. Ziel des Pilotprojekts war es, T-Shirts aus rezykliertem Nylon herzustellen.

Das Projekt fand in der Kletter-Community sofort grosse Zustimmung, so dass in nur drei Monaten über Sammelstellen in Kletterhallen, Mammutstores und über einen kostenlosen Versandservice 748kg Seilmaterial gesammelt wurde. Dieses wurde an das slowenische Unternehmen Aquafil gesendet, welches ein System entwickelte, um aus Nylonabfällen wiederverwendbares Nylon herzustellen. Die Mammut-Designer ihrerseits entwickelten ein T-Shirt aus 100 Prozent wiederverwertetem Nylon. Mit der Beauftragung einer litauischen Textilfirma, in der wiederaufbereitetes Nylon zu einem Funktionsshirt verarbeitet wurde, wurde eine europäische Produktionskette geschaffen, die ihrerseits zu einem reduzierten CO2-Ausstoss beiträgt. So konnten bei der Herstellung der 1000 T-Shirts 67 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden, die bei einer traditionellen Produktion mit Rohmaterialien aus Öl anfallen würden (Mammut, 2020). 

Open Innovation im Innovationspark

Seit Anfang 2016, betreibt die Stiftung Switzerland Innovation an sechs Standorten in der Schweiz Innovationsparks mit dem Ziel die Vernetzung zwischen Hochschulen und Unternehmen voranzutreiben. «Durch den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft werden Ideen so weiterentwickelt, dass Produkte und Dienstleistungen entstehen die erfolgreich vermarktet werden können» schreibt die Stiftung auf Ihrer Website (Switzerland Innovation, 2017). 

Als Beispiel für eine erfolgreiche Open-Innovation-Kultur in der Schweiz, soll hier der zum Park Zürich gehörende Innovationspark Zentralschweiz kurz beleuchtet werden. In diesem Innovationspark wird Open Innovation zum Thema Building Excellence betrieben. Ein inspirierendes Umfeld mit Co-working- und Workshop-Räumen sowie mit Begegnungsflächen lädt zum Austausch und gemeinsamen Innovieren ein. Die Labs dienen als Ort in denen verschiedene Stakeholder zusammen experimentieren und durch schnelles und kundennahes Testing erfolgreiche Produkte zur Marktreife bringen können. Eine digitale Plattform für die Verwirklichung gemeinsamer Projektideen und zahlreiche Events runden das Angebot dieses Innovations-Ökosystems ab (Switzerland Innovation Park Central, 2021). 

In einem Praxisbeitrag aus dem Jahr 2018 beschreibt der Innovationspark, wie die Arbeitsgruppe BIM & IoT sich zum Ziel gesetzt hat die Kombination von Building Information Modeling (BIM) und dem Internet of Things (IoT) zu untersuchen, um mögliche, neue Anwendungsfelder zu finden. An diesem Projekt konnte laut den Verfassern des Berichts sehr schön aufgezeigt werden, wie aus der Mischung verschiedener Kompetenzen im Team, gepaart mit einem inspirierenden Arbeitsort und dem Abhalten gemeinsamer Workshops, ein enormer Mehrwert entstehen kann, verglichen mit einer firmeninternen Herangehensweise, welche zum einen sehr aufwändig ist und zum anderen an fehlendem Wissen zu scheitern droht. 

Diese Erkenntnis, sei fast höher zu gewichten als das Resultat – der gemeinsame Prototyp – selber.  In einem Minimum Viable Product (MVP), also einer ersten, lauffähigen Produktversion mit noch eingeschränkten Möglichkeiten, konnte ein digitalisiertes Modell eines Raumes mit verschiedenen Sensoren dargestellt werden, mit welchem eigene Hypothesen über mögliche Einsatzgebiete und Nutzergruppe validiert werden konnten (Weingärtner & Wey, 2018).

Dies sind nur zwei von etlichen Beispielen, wie Open Innovation in der Schweiz angewendet und gelebt wird. 

In meinem nächsten Beitrag möchte auf die Ergebnisse unserer swissICT-Umfrage über den Stellenwert von Open Innovation in der Schweizer Unternehmenslandschaft eingehen und diese diskutieren.

Autor: Urs Isenegger ist Inhaber und Geschäftsführer der swintelligence GmbH und Mitglied der Fachgruppe Innovation von swissICT. Er verfügt über eine langjährige Experten- und Führungserfahrung in der Telekommunikationsbranche und eignete sich über die letzten Jahre ein grosses Know-how in agilen Methoden und im Innovationsmanagement an. Swintelligence unterstützt Firmen in Innovation- und ICT-Consulting sowie in Design Thinking. Swintelligence ermöglicht es Unternehmen – unabhängig von deren Grösse und vorhandenen Ressourcen – das enorme Potential und die Schwarmintelligenz externer Communities zu nutzen, um so die eigenen Innovationen voranzutreiben.

Literaturverzeichnis

Fueglistaller, U., Fust, A., Brunner, C., & Althaus, B. (2015). KMU und ihre Innovationskraft – Inspirationen für den KMU-Alltag. St. Gallen: OBT AG.

Hirner, G. (2010). Open Innovation im Web 2.0. Seon: Mammut AG. https://docplayer.org/6995124-Open-innovation-im-web-2-0.html

Lee, S., Park, G., Yoon, B., & Park, J. (2010). Open innovation in SMEs-An intermediated network model. Research Policy39(2), 290–300. https://doi.org/10.1016/j.respol.2009.12.009

Leimeister, J. M., Blohm, I., & Rhyn, M. (2016). Crowdsourcing Chancen für den Mittelstand. IM+io Fachzeitschrift Für Innovation, Organisation Und Management, 64–68. https://www.wiso-net.de/document/IMC__5E32BCC16ED81AF06539732529237286

Mammut. (2020). « CLOSE THE LOOP » – SCHWEIZER PILOTPROJEKT VERBESSERT CO2-. Seon: Mammut AG. https://mammut.prezly.com/close-the-loop-schweizer-pilotprojekt-verbessert-co2-fussabdruck

Mammut. (2021). MAMMUT GEWINNT MIT DEM WELTWEIT ERSTEN KLETTER- TRACKER DEN ISPO GOLD. Seon: Mammut AG. https://mammut.prezly.com/mammut-gewinnt-mit-dem-weltweit-ersten-kletter-tracker-den-ispo-gold-award

SECO (2022). KMU in Zahlen: Firmen und Beschäftigte. Bern: KMU Portal des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. https://www.kmu.admin.ch/kmu/de/home/fakten-trends/zahlen-und-fakten /kmu-in-zahlen/firmen-und-beschaeftigte.html

Switzerland Innovation. (2017). SWITZERLAND INNOVATION. Bern: Switzerland Innovation. https://www.switzerland-innovation.com/de/ueber-uns

Switzerland Innovation Park Central. (2021). CONNECTING GREAT MINDS. Rotkreuz: Switzerland Innovation Park Central. https://building-excellence.ch/wp-content/uploads/2022/04/Broschuere_Switzerland-Innovation-Park-Central.pdf

Weingärtner, T., & Wey, C. (2018). Open Innovation in einem Innovationspark-Ein Praxisbeitrag. Projektmanagement Und Vorgehensmodelle 2018, Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft Für Informatik, Bonn 2018, 41–50. http://www.building-excellence.ch